Wer hochsensibel ist, kennt diesen Schmerz, diese unerträgliche Sehnsucht, die immer wiederkehrenden Bilder im Kopf, schlaflose Nächte, nicht enden wollendes Gedankenkreisen um Warum, Wieso, Weshalb. Warum ist das so heftig, warum leide ich so sehr und warum kann ich nicht endlich damit abschließen und frei sein?
Ich selbst habe mich lange gefragt, wieso ich ausgerechnet von einer kurzweiligen, absolut schmerzhaften und hochtoxischen Verbindung so lange nicht den innerlichen Absprung schaffte, wieso ich mit einem Menschen, der partnerschaftlich gesehen die Luft zum Atmen nicht Wert war, so lange nicht endgültig abschließen konnte.
Der eigentliche Grund für deine Sehnsucht
Bereits in frühkindlichen Entwicklungsphasen lernst du, dir bestimmte Muster anzueignen, um gemocht, anerkannt und geliebt zu werden. Da du als Kind abhängig von Zuwendung und Anerkennung bist, manifestieren sich Glaubenssätze wie „Wenn ich besonders aufmerksam, besonders lieb, besonders hübsch, besonders erfolgreich bin, dann bin ich gut genug“. Das sichert dir schlichtweg dein Überleben. Vielleicht hast du gelernt, durch Leistungen oder Eigenschaften (besonders einfühlsam, besonders attraktiv, besonders intelligent, besonders gut im Bett…) überzeugen zu können, oder vielmehr „besonders“ auf dein Gegenüber zu wirken. Der unbewusste Teil in dir glaubt, nur dann bist du es wert, auch geliebt zu werden.
Erkennst du diese Glaubenssätze nicht, ziehst du später Menschen an, die dir diese Muster widerspiegeln. Spätestens in einer toxischen Beziehung geht das Ganze nach Hinten los. Und zwar auf extrem schmerzhafte Art und Weise. Je mehr du dich anstrengst, desto mehr Zuwendung wird dir entzogen. Dein erlernter Deal funktioniert nicht mehr. Untersuchst du das Verhalten des anderen mal genauer, merkst du schnell wie anders dieser Mensch tickt. Und dementsprechend auch fühlt. Hier muss erst mal bewusst unterschieden werden, WAS MICH VOM ANDEREN UNTERSCHEIDET. Sich als Hochsensibler Mensch mit einem toxischen Partner auf gleiche Stufe zu stellen ist fatal. Die Antwort auf Wieso, Weshalb, Warum lautet:
Weil er/sie so ist.
Gehst du in einen Löwenkäfig und wirst gekratzt und gebissen, ist dir bewusst, dass er dies tut, weil er ein Löwe ist. Wäre es also nicht sinnvoller nicht mehr in einen Löwenkäfig zu gehen, anstatt sich zu fragen, wieso der Löwe dich gebissen hat? Die Aufmerksamkeit weiter bei dem Anderen zu lassen und noch genauer zu analysieren, liefert nicht nur keine Antworten, sondern lenkt auch von den eigentlichen Ursachen für deinen Schmerz ab.
Was hat das Ganze mit mir zu tun?
Nichts beinhaltet eine größere Chance, sich selbst bewusst wahrzunehmen und eigene Anteile zu betrachten, wie Beziehungen. Ist dein Gegenüber dir gegenüber gleichgültig, frage dich inwieweit du dir selbst gegenüber gleichgültig bist. Ist dein Partner unverbindlich und hält dich an der langen Leine, frage dich, wie du zu dir selbst stehst.
Es ist nicht der Mensch, den du vermisst, es ist nicht der Mensch, den du nicht loslassen kannst– auch wenn es sich so anfühlt. Es ist der Schmerz deines kleinen Mädchens/deines kleinen Jungen in dir, das verzweifelt versucht zu verstehen, warum es (wieder) nicht gut genug war. Es ist die Sehnsucht deines Kindes in dir, das glaubt, die Bestätigung und Liebe des anderen zu brauchen. Das Kind in dir, das glaubt, nur der Andere kann es wieder heile machen. Das kleine Kind, das nicht glaubt, Liebe verdient zu haben und gut genug zu sein.
Was kannst du gegen Sehnsucht tun?
Das kleine Kind braucht DICH als Erwachsener, der es hält und an die Hand nimmt. DICH als Erwachsener, der dem kleinen Mädchen/dem kleinen Jungen die Illusion nimmt, den Anderen zu brauchen damit die Sehnsucht aufhört. Es braucht DICH und nicht den Anderen, der im Grunde nicht mal fähig ist, sich selbst, geschweige denn dich zu lieben.
Übernehme die Verantwortung!
Du bist dieses Kind. Du bist aber auch der Erwachsene. Loslassen funktioniert nicht allein über den Verstand. Man kann sich noch so oft die schlechten Aspekte vor Augen halten. Es ist wichtig, sich selbst die Wahrheit zu sagen. Das bedeutet den Schmerz da sein zu lassen. Ein „Stell dich nicht so an, so schlimm war es doch garnicht“ würdest du zu keinem Kind sagen, dass gerade weint oder? Mit Kindern spricht man so nicht, mit sich selbst aber schon. Es bedarf hier an Mitgefühl für deinen eigenen inneren Schmerz, an Verständnis für deinen eigenen kindlichen Anteil. Der Anteil in dir, der traurig ist, der verletzt ist, der es so versucht hat und doch zurückgestoßen wurde. Der Anteil in dir, der in Wahrheit eigentlich nur Liebe braucht und vermeintlich denkt, er bekäme es nur durch den Anderen. Verantwortung übernehmen bedeutet also, diesen Gefühlen in dir Raum zu geben. Sie in deinem Körper zu durchfühlen, anstatt sie mit dem Verstand wegzureden.
Gib den Gefühlen in dir Raum. Indem du die Aufmerksamkeit weg vom Anderen hin zu dir selbst lenkst, wirst du merken, dass viel Schmerz, Traurigkeit, Wut oder auch Angst in dir hervorsteigt. Lenke nicht ab indem du nach Gründen und Fehlern beim Anderen suchst.
Loslassen kannst du nur, wenn du die Aufmerksamkeit nach Innen auf dich selbst richtest. Wenn du deinen eigenen Gefühlen Raum in dir gibst, indem du sie bewusst fühlst und einfach aushältst. Indem du dir selbst versprichst, dass du dich um all das kümmerst, was in dir vor sich geht. Hier beginnt wahre Selbstliebe. Durch diese Verantwortungsübernahme für deinen Schmerz, wirst du auch von der schmerzhaftesten Beziehung loslassen können.
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